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Ausfühlicher Lebenslauf

1. Ausbildung und Frühwerk (1911 – 1924)


Am 4.8.1897 wurde Hans Wissel (vollständiger Name: Adam Johannes Wissel) in Magdeburg geboren. Er wurde von seinem Vater, Oscar Wissel, der Innungsmeister der Goldschmiede in Magdeburg war, als Goldschmied, Graveur und Ziseleur ausgebildet. Nach seinem Lehrabschluss arbeitet er in der väterlichen Werkstatt und belegte Abendkurse an der Kunstgewerbeschule Magdeburg. Von 1914 bis 1916  war er dort Tagesschüler, so auch bei Prof. Rudolf Bosselt in Bildhauerei, die schon früh seine Leidenschaft wurde.


Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er von 1916 bis 1918 teilnahm, übernahm er 1919 zusammen mit seinem Bruder das Geschäft und die Werkstatt eines Vaters, die nun unter "Werkstätten für Metallkunst, Gebrüder Wissel" firmierte. In vielen seiner kunsthandwerklichen Arbeiten war eine Marke mit den Buchstaben PHWM (siehe rechts oben) eingeschlagen, die für Peter, Hans, Wissel und Magdeburg standen. Die handwerklichen und künstlerischen Arbeiten wurden ausschließlich von Hans Wissel durchgeführt, sein Bruder war geschäftlicher Teilhaber.

Hans Wissel heiratete 1921 Clara Mund, die nach der Geburt des Sohnes, Hans-Oskar, verstarb. 1923 heiratete Hans Wissel Anneliese Schmidt, mit der er vier Kinder hatte: Klaus, Gesine, Christine und Christian.

 

Hans Wissel war ein herausragendes Mitglied der Kunstgruppe Magdeburg, die ein Zusammenschluss junger, progressiver und hauptsächlich expressionistisch orientierter Künstler war. Zunächst schuf Hans Wissel kunsthandwerkliche Arbeiten. Er stellte von 1921 bis 1925 siebenmal auf der renommierten Grassimesse in Leipzig aus. Das Kunstgewerbemuseum im Grassimuseum kaufte vier seiner Werke auf. Die Formen seiner Arbeiten wurden aus Silber-, Messing- oder Kupferblech getrieben, die Verzierungen erfolgten durch Gravuren oder Ziselierungen. Doch schon bald versah er seine Werke auch mit getriebenen, figürlichen Reliefs.

Die alte Technik des Treibens von Metallblechen war bei Goldschmieden noch bekannt. Davon ausgehend hat Hans Wissel die Treibtechnik für die Bildhauerei wieder neu aufgegriffen und weiterentwickelt.  Dabei war der Schritt zur Gestaltung von Rundplastiken von besonderer Bedeutung. Hans Wissel entwickelte dafür eine neue Technik, bei der er Einzelteile aus Kupfer- oder Messingblech durch Treiben vorformte und dann durch Hartlötung zur gesamten Vollplastik zusammenfügte. In dieser Zeit schuf er vor allem Köpfe, aber bereits 1921/22 auch ein lebensgroßes Kruzifix, das zu seinen stärksten  Werken zählt und 1928 in der Kirche St. Johann Baptist in Neu-Ulm seinen Platz fand. Für ein knappes Jahr ging Hans Wissel 1923/24 nach Carrara und Rom, um sich künstlerisch weiter zu bilden und die Techniken des Bronzegusses sowie der Marmor- bzw. Steinbearbeitung zu erlernen. Von Herbst 1924 bis Sommer 1925 lebte er mit seiner Familie in der Künstlerkolonie Gildenhall bei Neuruppin, wohin er durch Vorspiegelung falscher Tatsachern gelockt worden war. Unlautere Machenschaften der Leitung brachten ihm eine große Verschuldung ein.


2. Professur an den Kölner Werkschulen (1925–1931)


Am 1.10.1925 wurde Hans Wissel mit 28 Jahren vom Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer als Professor für „Monumentale Plastik und figürliche Metall-Treibarbeit“ an die neugegründeten Kölner Werkschulen berufen. Kurz darauf erfolgte seine Aufnahme in den Deutschen Künstlerbund, an dessen Jahresausstellungen er bis zur Zwangsauflösung 1936 durch die nationalsozialistische Reichskunstkammer teilnahm. Der Direktor der Kölner Werkschulen, Prof. Richard Riemerschmid, "hat Wissels Arbeiten sehr geschätzt und seine positive Meinung mehrfach geäußert, so im Personalbericht vom 23. September 1927: Künstlerisch und handwerklich vorzüglich. Verfügt über spezielle Erfahrungen in der Behandlung des Metalls für plastische Arbeiten wie kaum ein anderer."Auf der Ausstellung "Deutsche Kunst" 1928 in Düsseldorf erhielt er für sein Werk die Goldmedaille.


Bis 1931 arbeitete er vielfach mit den Architekten Dominikus Böhm und Otto Bartning zusammen, die die führenden modernen Kirchenbauer jener Zeit waren. Folgende moderne Treibplastiken haben in Kirchen den Zweiten Weltkrieg überdauert: Kruzifix (6 m hoch, 1926), Christkönigkirche, Bischofsheim bei Mainz; zwei knapp lebensgroße Figuren (müder Krieger, betende Frau, 1926), Nikolaikirche, Görlitz; knapp lebensgroßes Kruzifix (1922), St. Johann Baptist, Neu-Ulm (1928); der dortige Hochaltar mit lebensgroßen Figuren (Christus und die Evangelisten) und figürlichen Reliefs (1928) ist nach dem Zweiten Weltkrieg verschollen; Taufbecken (1929), Auferstehungskirche, Essen; Altarkreuz ca. 40 cm hoch, Klosterkirche Marienthal bei Hamminkeln, knapp lebensgroßes Kruzifix (1931), Heilandskirche, Dornbirn bei Bregenz.


Das überlebensgroße Kruzifix (1928) von Hans Wissel in der avantgardistischen "Kirche aus Stahl und Glas" (Stahlkirche, Otto Bartning, 1928) in Essen wurde auf Drängen der Gemeindevertretung 1935 entfernt. Die Kanzel mit figürlichen Reliefs fiel zusammen mit der Kirche den Bomben zum Opfer, ebenso das Portal (1926) an dem Hauptgebäude des Deutschen Roten Kreuzes in Berlin. Erhalten ist die 5,5 m hohe allegorische Plastik (1928) auf dem Messeturm in Köln.


Wegen finanzieller Probleme der Stadt Köln (dem Träger der Werkschulen) wurde er - wie viele seiner Kollegen auch- 1931 entlassen bzw. sein 5-Jahresvertrag nicht mehr verlängert. In einem kleinen Atelier in Havelberg entstand 1932 unter anderem ein lebensgroßes Kruzifix aus getriebenem Kupfer. Dieses und seine 1928 geschaffene Lutherstatue wurden neben anderen Werken  von Ernst Barlach, Emil Nolde, Ludwig Gies, Rudolf Koch, und Jan Thorn-Prikker im April 1933 für den deutschen Beitrag in der "Halle der Religionen" auf der Weltausstellung in Chicago 1933 ausgewählt. Wie schon länger geplant  wurde 1933 zum 450. Geburtstag Luthers eine Gedenkmünze in 5 RM und 2 RM nach dem Entwurf von Hans Wissel herausgegeben. Letztere war mit einer Auflage von einer Million als Zahlungsmittel im Umlauf.


3. Professur an der Kunstakademie in Königsberg (1933–1945)


Im Jahr 1933 erhielt Hans Wissel einen Ruf als Professor und Leiter des Meisterateliers für Bildhauerei an den "Staatlichen Meisterateliers der Bildenden Künste" (so der offizielle Name der Kunstakademie Königsberg) in Ostpreußen. Dort fertigte er u.a. Skulpturen in Stein für öffentliche Einrichtungen, wie auch Büsten berühmter historischer Personen in Marmor und Bronze, u. a. von Freiherr v. Stein (1935, Gymnasium Schneidemühl), Martin Luther (1936, Lutherkirche zu München), Johann Sebastian Bach (1940, Musikinstitut der Universität Königsberg), für die Wissel Messungen am Schädel Bachs in Leipzig vornahm, Nikolaus Kopernikus (1939, Universität Königsberg und 1943, Frauenburg), Immanuel Kant (1939, Universität Königsberg). Ein 1934 von Hans Wissel entworfenes SA-Ehrenmal vor dem Magdeburger Dom wurde 1945 abgerissen. Ein Mädchenkopf (1926, verschollen) wurde 1937 in der Kunsthalle Mannheim als entartet beschlagnahmt, ebenso ein Mädchentorso (1926) in der Nationalgalerie Berlin, der sich heute wieder in der Neuen Nationalgalerie befindet.

 

Von 1939 bis 1945 nahm er als Soldat und Sanitäter am Zweiten Weltkrieg teil, wobei er über längere Zeiträume für wichtige Aufträge freigestellt wurde. Seine Werke aus dieser Zeit sind fast alle verschollen. Jedoch das 6 m große getriebene Relief, Madonna mit Engel- und Wolkenkranz (1941), an der Front der barocken Wallfahrtskirche Krossen (Krosno) bei Wormditt (Orneta) in Ostpreußen (heute Polen) ist erhalten. Es ersetzte ein barockes Holzrelief, das halb zerfallen war, und ist diesem in Form und Stil angepasst. Von Hans Wissels Plastiken waren am Kriegsende ca. 90 % zerstört oder verschollen.


4. Spätwerk (1947–1948)


Im Herbst 1945 aus britischer Gefangenschaft entlassen konnte Hans Wissel in Grainau bei Garmisch-Partenkirchen seine gesamte Familie versammeln und für deren Unterhalt durch Herstellung von Schmuck sorgen. In einer kleinen Werkstatt fertigte er ab 1947 ca. 25 Reliefs und Köpfe aus getriebenem Kupfer an, die häufig eine religiöse Thematik hatten, u.a. das Relief "Frauen unterm Kreuz", sowie die Köpfe "Hiob" und "Christus mit Dornenkrone". Etwa 30 % seines gesamten Werkes hatte ein religiöses Thema. Ein größerer Teil der Arbeiten aus der Nachkriegszeit befindet sich heute im Familienbesitz. Er konnte noch Kopf und Korpus für ein überlebensgroßes Kruzifix fertigstellen, was ansonsten unvollendet blieb. Am 18. Mai 1948 verstarb Hans Wissel. Im November 1949 fand in der Galerie "Der Spiegel" in Köln eine Gedächtnisausstellung statt, in der Plastiken und Zeichnungen aus der Nachkriegszeit gezeigt wurden. Die Eröffnungsansprache hielt August Hoff, der 1933 von den Nationalsozialisten aus allen seinen Ämter entlassen worden war und nun Professor und Direktor der wiedereröffneten Kölner Werkschulen war.

 

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